2015 Bauhistorischer Rundgang durch Nehren mit Tilmann Marstaller

Bauhistorischer Rundgang mit Tilmann Marstaller

Zur Bauhistorischen Führung durch Nehren

Am 18. 10. 2015 mit Herrn Marstaller

 

 

Achtung, eine Durchsage: "Der neue Baustil verspätet sich um ca. 20-25 Jahre!" Fachwerkmethusalems in Nehren.

 

30-40 Interessierte [stimmt das? Ich habe nicht gezählt] fanden sich bei kühlem, aber glücklicherweise trockenen Wetter vor der Veitskirche ein, um mit dem Rottenburger Bauhistoriker und Archäologen Tilmann Marstaller zu den ältesten Nehrener Häusern zu marschieren. Die Teilnehmer der Führung erlebten eine spannende und sehr detailreiche Zeitreise ins 15.-18. Jh., wobei sich Marstaller sich aber auch die Zeit nahm, wichtige Methoden wie die Dendrochronologie ausführlich und laienverständlich zu erklären - oder alte und irreführende, aber eben weit verbreitete Begriffe wie "alamannisches" und "fränkisches" Fachwerk mit ihren "Mann" und "Weible"-Figuren zugunsten einer an der Bautechnologie orientierten neutraleren Terminologie zu verwerfen.

Schon bei der Kirche, die im späteren 16. Jahrhundert stark erweitert wurde, um neben den Hauchlingern auch die Nehrener Kirchgänger fassen zu können, konnte Marstaller den roten Faden der Führung aufnehmen: Statt im damals aktuellen Renaissance-Stil wurde die Erweiterung in an sich veralteten (nach)gotischen Formen errichtet. Noch auffälliger tritt die "wertkonservative" Bauweise jedoch im Fachwerkbau zu Tage: Die durch zahlreiche Jahrringdatierungen inzwischen gut zeitlich einzuordnen Bautypen leben in Nehren fast regelmäßig 20-25 Jahre länger als anderswo - quer durch die Jahrhunderte. Was nicht heißt, dass man in entsprechenden Kreisen nicht wusste, was up to date war. Der repräsentative Großbau Oper 1 - eines der zwei ältesten Profanbauten im Dorfe (zeitgleich mit Im Bund 6 im Jahre 1485 errichtet) war vermutlich Wohnhaus einer führenden Familie im Dorfe und zeigt mit seinem verblatteten Schmuckgiebel durchaus die aktuellen Zeitformen.

Der Normalfall ist jedoch die Verzögerung um 20 bis 25 Jahre. Wie genau man mit dieser Nehrener Fachwerk-Faustregel datieren kann, zeigte Marstaller am Beispiel der Hauptstraße 12, einem ehemaliges Gasthaus mit großer Stube mit erhaltener Bretterbalkendecke, das das älteste aufrecht stehende Gebäude in Alt-Nehren darstellt. In Tübingen, so Marstaller, hätte er das Fachwerk auf 1495 eingeschätzt, nach den Nehrener Erfahrungen übermittelte er der Dendrochronologin Hofmann jedoch "1515" als Schätzwert. Heraus bei der Bestimmung kam 1516 - womit Familie Schmid im nächsten Jahr mit ihrem Haus 500-Jähriges feiern kann. Und wohl auch noch 400-Jähriges dazu: Genau ein Jahrhundert nach der Errichtung des zunächst einstöckigen Hauses wurde das Obergeschoss zwischen Erdgeschoss und Dach eingefügt!

Über das außergewöhnlich intakt überlieferte "Armenviertel" an der Gomaringer Straße ging es abschließend noch auf die Kappel, wo die Gruppe erschöpft, aber beseelt, noch ein zukünftiges Kleinod bewundern konnte: Das Doppelhaus Schulstraße 2, dessen erste Hälfte 1536 errichtet wurde - ein Datum, das über eine Inschrift bereits Dorfchronist Köhler bekannt war - hat fachlich qualifizierte Liebhaber gefunden und sieht einer besseren - und fachwerksichtigen - Zukunft entgegen.

 

Nehren total bescheuertSeptember 2012 Bauhistorischer Rundgang mit Tilmann Marstaller

 

Im Rahmen des „Scheunenzyklus“ fand am Samstag, 15. September 2012 ein bauhistorischer Ortsrundgang mit dem Rottenburger Archäologen und Bauforscher Tilmann Marstaller M.A. statt.

 

Man traf sich um 15 Uhr an der Raff’schen Scheuer in der Luppachstraße, um von hier aus zahlreiche Ensembles im Luppach, an der Hauptstraße, im Wert und der Kappel näher in Augenschein zu nehmen. Die ältesten Scheuern in Nehren gehen bis in das frühe 16. Jahrhundert zurück.

 

In der gut besuchten und über die mehr als zwei Stunden durchweg fesselnden Führung hörten die Rundgänger einiges über Gehöfttypen, bauliche Eigenschaften von Scheuern und deren Entwicklungslinien in der Zeit. Die Scheuern bilden trotz ihrer baulich untergeordneten Lage einen unverzichtbaren Bestandteil des historischen Ortsbilds sowie der landwirtschaftlich geprägten Kulturgeschichte des Ortes. Zugleich stellen sie beeindruckende Zeugnisse der Zimmermannskunst dar.

 

Neben dem Fachlichen kam auch der Humor nicht zu kurz. So lernten die Zuhörer auch, dass Nehren nicht nur in beträchtlichem und gut erhaltenem Maße „bescheuert“ ist, sondern sich darüber hinaus auch ziemlich „beknaggt“ präsentiert – als Knagge bezeichnet man die an der Außenwand anliegenden vorspringenden Stützhölzer, mit der die Auskragung des darüber liegenden Stockwerks abgestützt wird

 

 

 

 

Eindrücke vom Bauhistorischen Rundgang im September 2012

Begrüßung durch Sören  Frommer in der Luppachstrasse
Begrüßung durch Sören Frommer in der Luppachstrasse